Franz-Josef Schlüter

Franz-Josef Schlüter

* 31.07.1932 in Paderborn
† 28.02.2009
Erstellt von NW / WB Trauerportal
Angelegt am 04.03.2009
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Kondolenz

Kondolenz

13.09.2010 um 13:51 Uhr von Brigitte Fortströer
..mein Vater ist tot.. 48 Jahre lang hatte ich das Glück, einen Vater zu haben... du hattest nur wenige Jahre einen Vater, verlorst ihn in den Nachkriegswirren. Niemand wusste, ob er tot war, oder ob er wieder kommen würde, bis man ihn für tot erklären ließ... das bedeutete Unsicherheit für einen heranwachsenden Jungen, der in der schrecklichen Zeit des zweiten Weltkrieges groß geworden war, der in eine Zeit der Angst hinein geboren wurde, in der man mit wenig auskommen musste... ganz allein, ohne Geschwister.. Doch das Wenige machte dich erfinderisch, ließ dich kreativ werden, Spielzeuge selber bauen, schnitzen, basteln.. eine Gabe, die in der heutigen Zeit fast nicht mehr denkbar wäre. Im Domchor hast du mit deiner Knabenstimme die Menschen erfreut, hast sie für einen Moment, in dem sie deinem Gesang lauschten und innehielten, die bedrohliche Welt um sie herum vergessen lassen. Du selbst musstest dich auf dem Weg zur Kirche vor dem Fliegerangriff hinter Hecken verstecken. Angst und Schmerz durftest du nicht zeigen... denn du warst jetzt der Mann in der Familie.. In deinen Gedanken schautest du den Flugzeugen nach, flogst mit ihnen hoch in die Wolken hinauf... „Flieger zeig mir die Sonne...!“ träumtest von einer grenzenlosen Freiheit, die du auf der Erde nicht finden konntest. Du kanntest jedes Flugzeug und hast sie später als Modelle nachgebaut.. immer mit den Träumen im Himmel, in grenzenloser Weite, einer geheimen Sehnsucht folgend, die dich aus deinem begrenzten Alltag befreien sollte... Du wurdest Tischler, ein begnadeter Handwerker, der mit seinen Händen echte Wunder vollbringen konnte, du schufest Möbel mit großer Kunstfertigkeit und gabst deiner Liebe zum lebhaften Material Holz in deinen wertvollen Schnitzereien vielfältigen Ausdruck.. Du lerntest meine Mutter kennen.. eine zufällige Begegnung, die euch über fünfzig Jahre als Ehepaar zusammen schweißte... wirklich zufällig? Wer weiß das schon.. Ihr schenktet meinem Bruder und später mir ein Leben, selbst nicht wirklich wissend, wie das Leben mit dem Wenigen, das ihr hattet, hätte bestritten werden können.. aber es sollte nie an etwas fehlen.. Später hast du Arbeit bei der Post gefunden, wurdest zum Briefträger, wie Hermes, der geflügelte Götterbote.. brachtest den Menschen gute und schlechte Nachrichten. Deine Freundlichkeit und dein Verständnis machten dich zu einem beliebten Menschen, auf dessen Erscheinen man gern gewartet hat.. Manchmal machten wir einen Ausflug mit der Familie.. wir wanderten und ich saß auf deinen Schultern, wenn ich nicht mehr laufen konnte.. und wir sangen lachend unser Lied.. „ein Schneider fängt `ne Maus..“ Du hattest wunderbare Talente, konntest malen, bautest in liebevoller Kleinarbeit Flugmodelle.. trotz deiner Enttäuschung, wenn einmal eines abstürzte und tief in einem Acker stecken blieb wurdest du nie müde, die zersplitterten Bruchstücke mit deinen geschickten Händen wieder zusammen zu flicken.. Deine Begeisterung für die Fliegerei gabest du auch an den Nachwuchs der Luftsportgemeinschaft Paderborn in deiner Modellbaugruppe weiter. Vielen hast du den Traum vom Fliegen näher gebracht, hast sie Grenzen überschreiten lassen und ihnen Flügel verliehen... und manchmal hast du es mit dem Fliegen zu ernst gemeint und musstest mit einem Bein- oder Knöchelbruch wieder auf den harten Boden zurück gebracht werden.. Über die Geburt deiner Enkelkinder hast du dich sehr gefreut. Eine besondere Nähe hattest du zu meinem Sohn Georg, der dich in vielen Dingen verstanden hat. Du warst stolz auf uns und hast dich gefreut, wenn wir die von dir ererbten Talente weiter entwickelten. Klaus ging zur Post, Georg wurde Tischler und mir hast du als Innenarchitektin die Liebe zu den Farben, Kreativität und praktisches Denken geschenkt... Lieber Vater, du hattest kein einfaches Leben. Und manchmal wusstest du nicht, wie du damit umgehen solltest. Sicher hast du nicht alles richtig gemacht.. aber du hast nach deinem Vermögen dein Bestes gegeben. Und ich wünsche dir, dass du die Lektionen, die dir in diesem Leben gestellt wurden, gemeistert hast. ..wenn ich dir etwas schenken wollte, musste ich nicht lange überlegen.. ein Buch über das Fliegen, ein Flug mit dem Heißluftballon, ein Rundflug über Paderborn... Wirklich glücklich warst du, wenn du fliegen konntest, um den Fesseln der Welt zu entschwinden.. und darum haben wir dir als letztes Geleit deinen Totenbrief mit deinem selbst gemalten Bild gestaltet.. mit einem Doppeldecker, einem mutigen Flieger, der sich auf die einsame Reise in die unendliche Weite der untergehenden Sonne begibt... auf dem Kurs der Sehnsucht nach dem Licht... Möge der Wind dich nach Hause tragen... mein Vater.. denn alles war gut..
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Gedenkkerze

NW-Trauer

Entzündet am 13.09.2010 um 13:25 Uhr